Verwerfung der taggenauen Berechnung des Schmerzensgeldes

von David Marhold

DER BGH HAT IN SEINER ENTSCHEIDUNG VOM 15.02.2022 (VI ZR 937/20) DIE ZUR BEZIFFERUNG DES SCHMERZENSGELDES GENUTZTE TAGGENAUE BERECHNUNG VERWORFEN.

Dabei hat sich der BGH mit einem Fall beschäftigt, bei dem der Kläger insgesamt 500 Tage im Krankenhaus verbrachte.

§ 253 Abs. 2 BGB regelt den Umfang eines materiellen Ausgleiches für einen immateriellen Schaden.

Die Frage ob dem Geschädigten ein Schmerzensgeld zusteht, ist nicht Aufgabe des § 253 Abs. 2 BGB. Dieser beschäftigt sich ausschließlich damit, in welcher Höhe das Schmerzensgeld dem Geschädigten zusteht.

Hintergrund des § 253 Abs. 2 BGB ist nicht nur der Ausgleich des nichtmateriellen Schadens, sondern auch der Gedanke der Genugtuung, mithin eine Doppelfunktion.

Grundlegend befindet sich die genaue Bezifferung des Geldbetrages im tatrichterlichen Ermessen. Dieser hat dabei alle Umstände des Einzelfalls zu beachten.

Zu diesem Umständen gehören oftmals die Größe, Intensität und Dauer der Schmerzen, sowie das Leiden und die Entstellung. Da diese Umstände subjektiv geprägt sind, werden aus Gründen der Objektivierung auf die Art der Heilbehandlung, die Anzahl der durchgeführten Operationen, die Dauer der stationären und ambulanten Behandlung, Dauerschaden und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit abgestellt.

Das alles führt allerdings zu einer Situation in der es bei der gerichtlichen Abschätzung der Höhe des Schmerzensgeldes auf viele subjektive und regional verschiedene Faktoren ankommt.

Das führt zwangsläufig zu wenig Transparenz und kaum Orientierungsmöglichkeiten. Die Geschädigten haben kein System um abschätzen zu können, in welcher Höhe ihnen Schmerzensgeld zusteht, gerade um eine Einigung im außergerichtlichen Bereich zu erlangen.

Um dem Einhalt zu gebieten, hat das OLG Frankfurt in einer Entscheidung 2018, die taggenaue Berechnung vorgestellt. Dabei wird in einem ersten Schritt die Anzahl der Behandlungsphasen, d.h. der Intensivstation, Normalstation, stationäre Reha-Maßnahmen und ambulante Behandlung in Form von Tagessätzen addiert. Bei dieser Berechnungsweise wird beispielsweise ein Tag auf der Intensivstation mit 150 Euro bemessen.

In einem zweiten Schritt prüft der Richter, ob das Ergebnis angemessen ist bezogen auf den Einzelfall und kann das Ergebnis gegebenenfalls nach oben oder unten korrigieren.

Der BGH führt in seiner Entscheidung aus, dass bei dieser Alternative zur Feststellung der Höhe des Schmerzensgelds allerdings bestimmte Umstände des Einzelfalls nur isoliert betrachtet und bewertet werden. So bleiben manche Umstände des konkreten Falles, wie die Art der Verletzung, die Höhe der Einschränkung in der zukünftigen Lebensführung, aber auch welches individuelle Leid verursacht wurde, außer Acht.

Der BGH ist der Ansicht, dass die schematische Betrachtungsweise der taggenauen Berechnung jedoch den Grundsätzen des § 253 Abs. 2 BGB nicht gerecht wird, weder der Genugtuungs- noch der Ausgleichsfunktion, sodass die objektive Berechnung nicht mit dem extrem einzelfallbezogenen Schmerzensgeld vereinbar ist.

Weiter stellt der BGH dar, dass anstelle der schematischen Methode die den Einzelfall bestimmenden Umstände in ihrer Gesamtheit betrachten werden sollen, insbesondere dass die Höhe der Lebensbeeinträchtigung maßgeblich ist, die sich aus verschiedenen einzelnen Faktoren zusammensetzt.

Daher hat der BGH in seiner Entscheidung 2022 die taggenaue Berechnung verworfen.

* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Beitrag die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter.